15 Tage gibt uns die Immigrationsbehörde Zeit um Vietnam zu erkunden. Das ist natürlich bei weitem nicht genügend Zeit um dieses Land zu erkunden. Allerdings haben uns diese knapp zwei Wochen trotzdem gereicht, nicht nur weil unser Aufenthalt mit Ben im Krankenhaus geendet hat. Danach "fliehen" wir nach Indonesien, um uns am Strand zu erholen. Allerdings herrscht momentan Monsun, weshalb dieses Vorhaben wortwörtlich ins Wasser fällt...
Nachdem wir in Saigon genug von ständigen Regenschauern haben, entscheiden wir uns dazu Cat Ba zu besuchen, die vielleicht bekannteste Insel im Norden des Landes, die der sagenhaften Halong Bucht ihre Popularität verdankt. Dazu fliegen wir mit einer Inlandsairline nach Hai Phong, einer ehemaligen französischen Kolonialstadt, die uns mit prachtvollen Kolonialbauten erstaunt. Erstaunt sind wir allerdings auch von der Dreistigkeit des Bodenpersonals am Airport, dass uns aus den Rucksäcken im aufgegebenen Gepäck unsere Powerbank und Bens Sonnenbrille geklaut hat, die mit für seine Augen angefertigten Gläsern nicht unwichtig ist für ihn. Die Airlines weist allerdings darauf hin, dass sie ja Schilder aufgestellt habe, dass nichts wertvolles ins Hauptgepäck gehört. Das Argument, dass wir einen Aufpreis für Gepäck bezahlen und damit eigentlich unser gesamtes Gepäck als Service bezahlt haben und nicht bloß das, was nach einem Diebstahlbummel des Personals übrig bleibt, möchten sie aber nicht gelten lassen. Ärgerlich! Von Hai Phong und ohne Sonnenbrille geht es mit einem Schnellboot russischer Bauart nach Cat Ba mit seinen weißen Sandstränden, den freilaufenden Affen und dem entspannten öffentlichen Leben. Dank der Regensaison gibt es hier kaum Touristen, was uns sofort gefällt, denn an jeder Ecke lassen bunte Schildchen und dicht aneinandergereihte Restaurants erahnen, was hier in der Hauptsaison los sein muss. Doch das Beste ist, dass hier fast rund um die Uhr die Sonne scheint bei feuchten 28 Grad. Hier liegen wir entspannt am Strand, treffen einige Westler und freuen uns über die erstaunlich niedrigen Preise. Ein Hotelzimmer mit Klimaanlage und warmer Dusche kostet hier gerade einmal vier(!) Euro. Im Prinzip wäre das genau unser Ding, wenn die Luftfeuchtigkeit nicht wäre, die für einen konstanten Schweißfilm sorgen würde und die örtliche Küche, mit der wir uns einfach nicht anfreunden können. Während Ben sich noch mit Hähnchen süß-sauer und einigen anderen Dingen anfreunden kann, überkommt Elli beim Anblick der allgegenwärtigen Hot Pots (Suppen mit lange gekochtem Fisch oder Fleisch mit Gemüse) der blanke Ekel. Wie überall in Vietnam stinkt es an jeder Ecke nach ranzigem Fisch. Das liegt zum einen daran, dass hier alles mit Fischsoße gekocht wird, der gefangene Fisch vor den Restaurants sortiert wird und die Abfälle auf der Straße in der Sonne verrotten und zum anderen an den Pfannen, die einfach nie gereinigt werden. Darum schmecken dann sogar die Pfannekuchen nach Fisch - sehr gewöhnungsbedürftig. Außerdem gewöhnungsbedürftig ist der allgegenwärtige Schimmel und sein Geruch, was sich wohl aufgrund der Feuchtigkeit nicht vermeiden lässt. Als wir einmal von einem Einheimischen eingeladen werden, verlassen wir sein Haus am nächsten Morgen wieder, weil es so sehr nach Schimmel, Schweiß und Schmutz riecht und aussieht, dass wir kaum ein Auge zu bekommen. Dass uns beim Gang zur Toilette Kakerlaken und ein Tausendfüßer mit uns Wetteifern ist in dem Fall dann auch nicht gerade hilfreich. Nach dem Kontakt mit mehreren Vietnamesen scheint es aber recht normal zu sein, die Wohnung und gerade die Küche nicht zu reinigen, da hier andere Prioritäten gesetzt werden und das Leben sich hauptsächlich draußen abspielt.
Die Menschen in Vietnam sind sehr höflich und lächeln gerne. Allerdings ist es auch gewöhnungsbedürftig, sich in den touristischeren Gefilden wie ein "Geldschwein" zu fühlen, wie es unsere Freunde Bea&Helle von Timetoride genannt haben. Überall werden wir in die Restaurants gerufen teilweise aggressiver als uns lieb ist. Doch wie gesagt, das bezieht sich eher auf die Touri-Hotspots. Interessant ist jedoch, dass wir immer wieder merken, dass wir uns regelrecht ein Loch in den Bauch freuen wenn wir Westler, speziell Europäer treffen. Man zieht sich gegenseitig an wie das Licht die Motten: Irgendwann merkt man einfach, dass die kulturellen Ähnlichkeiten doch enorm wichtig sind und man sich mit anderen Westlern auf Dauer sehr wohl fühlt und nicht so fremdelt wie mit den Einheimischen vor Ort, auch wenn man den Aufenthalt genießt. Ein gemeinsamer Nenner, der selbstverständlich ist, schafft doch einiges an Zuneigung und auch Entspannung in Gesprächen.
An unserem vorletzten Tag auf Cat Ba bekommt Ben dann plötzlich Fieber. Als es über 38 Grad steigt beschließen wir, ein Schiff nach Hai Phong zu nehmen um ihn dort im internationalen Krankenhaus untersuchen zu lassen, da Vietnam eine Malaria-, Dengue- und Vogelgrippe-Region ist. Alles Dinge die mit einem Fieber beginnen und ziemlich "autsch" sind. Da es nur noch zwei Nächte bis zum geplanten Flugmarathon nach Indonesien sind, bangen wir um unsere bereits bezahlten Flugtickts.
Doch zuerst einmal bangt Ben um die Qualität des hiesigen Krankenhauses, da ein westlicher Standard in diesem Land kaum vorstellbar ist. Als er schließlich nach einer kurzen Aufnahmeprozedur aufgenommen wird, sind wir überrascht: das Krankenhaus ist sehr sauber, das Personal sehr nett und die Erstuntersuchung des Arztes kurz und scheinbar kompetent. Er bestätigt, dass eine Blutuntersuchung angesagt ist um die schlimmeren Erreger auszuschließen, beruhigt uns aber uns sagt es sei unwahrscheinlich.
Zuerst geht es jedoch aufs Zimmer. Wir entschließen uns gegen einen Aufpreis für ein Einzelzimmer, da die örtliche Mentalität eher auf Lautstärke als auf Erholung ausgelegt ist und bereuen es nicht. Die hübschen Schwestern nehmen Ben, der in seinem viel zu kurzen OP-Kleidchen danieder liegt, Blut ab, das in offenen Fläschchen(!) umgefüllt und ins Labor gebracht wird. Lustig übrigens auch, dass die Fieberthermometer 1977 in Berlin produziert wurden. Dann versucht er zu schlafen, wird jedoch mitten in der Nacht von einem Pfleger geweckt, der dem schlaftrunkenen Tropf ohne Vorwarnung ein riesiges Wattestäbchen durch die Nase bis in den Rachen schiebt. Ben ist entsetzt und verscheucht den rabiaten Pfleger schließlich, unsicher was als nächstes noch passieren könnte. Das "nächste" lässt dann auch nicht lange auf sich warten, als eine Schwester eine Kanüle legen möchte und kurzerhand den dicken Schlauch in die Oberseite seines Unterarms schiebt. Ben keucht vor Schmerzen und wird so kreidebleich, dass Elli alarmiert seine Füße hoch nimmt und ihn damit knapp vorm Ohnmächtigwerden bewahrt. Fairerweise muss man sagen, dass er sich er sich vor Nadeln ziert wie die Schöne vor dem Biest. Trotzdem geht es ihm am nächsten Morgen deutlich besser und obwohl die diensthabende Ärztin ihn noch eine weitere Nacht dabehalten möchte, entlässt Ben sich selbst und wir sorgen für eine rasche Genesung in einem recht ansprechenden Hotel, bevor unser Flug von Hai Phong über Saigon und Singapur nach Medan, Indonesien geht. Wohl eine gute Entscheidung, da im Gemäuer des Krankenhauses die Lepra umzugehen scheint und direkt vor unserem Zimmer einfach stumpf die Decke herunterkommt.
Also geht es halbwegs gesund in den Flieger in Richtung Saigon. Uns erwartet ein echter Flugmarathon: Haiphong nach Saigon, Saigon nach Singapur, Singapur nach Medan, Medan nach Bandar Aceh um von dort mit der Fähre auf die Insel Pulau Weh zu kommen, zum Breitengrad 0, dem exakten Äquator. Aber natürlich geht das nicht ohne Schwierigkeiten: In Saigon will uns die Dame beim Check-In nicht ins Flugzeug lassen, da wir für Indonesien kein Rückflugticket haben und die 30 Tage Aufenthalt dort nur mit Rückflugticket akzeptiert werden. Wir möchten aber unsere 9 Stunden Aufenthalt in Singapur dafür nutzen und uns dort in Ruhe ein geeignetes Ticket heraussuchen. Ein kleiner Streit entbrennt zwischen Ben und der Frau von der Airlines, da Ben überzeugt ist, dass sie uns nach Singapur lassen kann (visafrei) und wir erst dort beim Check in nach Medan (Indonesien) ein Rückflugticket zeigen müssen. Sie solle einfach unser Gepäck nur nach Singapur schicken und nicht weiter nach Medan. Da sie beharrlich sagt das sei unmöglich, Ben das aber für unlogisch hält, platzt ihm irgendwann der kragen und er verlangt ihre Vorgesetzte zu sehen, die dann auch prompt bestätigt, dass das sehr wohl möglich ist. Mit einigem Stress geht es also schnell noch in den Flieger und nach Singapur. Dort überrascht uns mal wieder der Reichtum. Denkt man bei Asien an Entwicklungsländer, hat man seine Rechnung ohne Singapur gemacht, das deutlich reicher ist als die meisten europäischen Staaten. Wir genießen den kleinen Tropfen Westen, bevor es nach Indonesien geht. Dort angekommen haut uns erst einmal die Freundlichkeit der Menschen um. Ausnahmslos jeder hier, vom Grenzbeamten über den Polizisten zur Mutter oder herumlaufenden Kindern. Was sofort auffällt sind die Kopftücher der Frauen und die züchtige Kleidung: Hier sind wir wieder in einem muslimischen Land und mittlerweile meinen wir, dass muslimische Kulturen einfach generell höflicher und freundlicher ticken, als andere. Auch wenn uns der Muezzin noch immer auf den Zeiger geht und wir nicht viel von dem etwas archaischen Rechtsverständnis der Scharia halten, sind wir doch einmal mehr beeindruckt von den gastfreundlichen und zugewandten Muslimen. Toll!
Nicht so toll ist hingegen der Monsun, der hier jahreszeittypisch sein Unwesen treibt. Die Regenmassen hier stellen alles in Vietnam gesehene locker in den Schatten. Höchstens ein paar Stunden pro Tag können wir uns hier auf Pulau Weh aus der Hütte wagen, denn sind die Wolken einmal da, hocken sie direkt auf dem Dach und lassen solche Wassermassen auf uns los, dass das Prasseln jedes Gespräch erstickt.
Trotz der suboptimalen Wetterverhältnisse versuchen wir, das Beste draus zu machen: wir genießen die indonesische Küche, die uns viel besser gefällt als die vietnamesische, da sie nicht die immer gleichen kaputtgekochten Suppen bietet und auf (für uns) teilweise ekelerregende Dinge wie Schnecken, Quallen und Tiergenitalien verzichtet. Außerdem entscheiden wir uns zu einem Schnuppertauchkurs und sind hin und weg. Elli hat zu Beginn noch ein wenig Panik, als sie das erste mal unter Wasser atmen soll. Sie ist keine besonders sichere Schwimmerin und hat sichtlich mit sich zu kämpfen. Am Ende jedoch ist sie stolz wie Oskar und taucht bis auf 12 Meter mit bunten Nemos (Clown Fisch) und allerlei hübschen Tierchen, die wir nicht kennen (mal wieder nicht im Unterricht aufgepasst). Toll sieht es trotzdem aus und besonders Ben, der schon ein halbwegs erfahrener Free Diver mit Maske und Flossen ist, gefällt die neue Art zu tauchen besonders gut. Zuerst beschließen wir, direkt einen Open Water Tauchschein zu machen, der es uns erlauben würde in Zukunft im offenen Gewässer selbstständig zu tauchen. Später jedoch überdenken wir das Ganze und entscheiden, die beachtlichen 500 Euro für unsere Reise zu sparen, schließlich haben wir noch viel vor und sind nicht reich. Abgesehen davon ist Indonesien zwar angeblich das Tauchparadies schlechthin, aber auf unserer weiteren Reise werden wir wohl nicht mehr so häufig zum Tauchen kommen und das Geld eher für Benzin und Reparaturen benötigen. Spaß hat's trotzdem gemacht!
Der Dschungel ist für uns übrigens eine tolle neue Erfahrung: zwar finden wir die Luftfeuchtigkeit arg gewöhnungsbedürftig und können uns kaum vorstellen hier auf Dauer zu leben, doch das explodierende Leben um einen herum und das türkise Wasser sind schon herausragend schön und anders als alles, was wir bisher gesehen haben. Überall springen Affen umher, kämpfen Insekten um ein fallengelassenes Stück Brot, singen Vögel um die Wette und zischen riesige Eidechsen hin und her. Nachdem wir mit viel Mühe unser Moskitonetz geflickt haben, können wir trotz all dessen auch ruhig und entspannt schlafen... :-)
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