"Kuala Lumpur? Das ist doch irgendwo in Südostasien, die Hauptstadt von den Philippinen oder Malaysia?" - "Malaysia", "Ah, ja genau. So ein Millionenghetto nahe des Äquator wo es viel Kriminalität gibt." So oder so ähnlich hätte ein Gespräch ausgesehen, bevor wir auf Reise gegangen sind. Kuala Lumpur war für uns das gleiche wie Jakarta oder Manila, Städte von denen man höchstens mal im Zusammenhang mit Smog, Prostitution oder Straßenschlachten zwischen Polizei und Drogenbaronen oder gar Terrorismus in den Medien hört. Bei Kuala Lumpur lagen wir aber komplett falsch.
Das Bruttoinlandsprodukt Malaysias liegt pro Kopf etwa doppelt so hoch wie in Russland, was ziemlich schnell deutlich machen sollte, dass dies kein extrem armes Land ist, wenn auch es keinem Standard westlicher Industrienationen gleichkommt. Doch der Unterschied ist nicht so groß wie wir gedacht hätten. Die Hauptstadt Kuala Lumpur kommt mit ihrer ansehnlichen Skyline und den 450 Meter hohen Petronas Türmen denn auch sehr modern daher. Allerdings ändert sich die Lage schnell, wenn man die Innenstadt verlässt, denn dann dominieren kleinere, eher heruntergekommene Häuser das Stadtbild. Leider laufen wie in vielen dieser Länder überall die Klimaanlagen mit Überstunden, weshalb es in Innenräumen immer viel zu kalt ist und man einen Spaziergang niemals ohne mitgeführte Jacke in Angriff nehmen sollte. Ziemlich ätzend - und krankmachend: An jeder Ecke gibt es Medikamente gegen Erkältungen zu kaufen, obwohl fast das ganze Jahr konstante 30 Grad herrschen.
Außerdem herrscht auch hier die westliche soziale Kälte vor, die wir in Singapur im Extrem erleben konnten. Mit steigendem Reichtum scheint auch steigendes Desinteresse an echten sozialen Kontakten einher zu gehen. Das heißt: der beste Freund ist das Smartphone. Lieber per Whatsapp sprechen, als sich wirklich den Stress antun, Zeit für ein Treffen zu opfern...
Darüber hinaus fühlt sich Kuala Lumpur wie der kleine Bruder Singapurs an, der dem großen Bruder unbedingt nacheifern will, damit er wenn er erwachsen ist, auch so cool und erfolgreich wird. Das äußert sich zum einen an der Lebensart, in einem Condominium zu leben und zum anderen in der wachsenden Anzahl von Verbotsschildern und Hinweisen auf (hohe) Strafen. Als Condominium bezeichnet man hier meist Hochhäuser zum Wohnen, die mit einem 24h-Sicherheitsdienst, Pool und Fitness Raum daher kommen. Alles unter einem Dach quasi. Weil hier keiner dem anderen zu trauen scheint, ist der Sicherheitsdienst sehr wichtig und das eigene Stockwerk kann man im Fahrstuhl nur erreichen, wenn man den entsprechenden Knopf mit der persönlichen Keykarte entsperrt - bizarr. Als würde das als seltsame Knast-Simulation noch nicht reichen, besitzt jede Eingangstür zusätzlich ein massives Stahlgitter mit Vorhängeschloss. Da sag noch einer Deutsche seien ängstlich und unentspannt... :-)!
In unserem letzten Artikel zum Städtebummeln in Südostasien sind wir bereits darauf eingegangen: In Malaysia sind 50 Prozent der Bevölkerung Malaysisch, etwa 20 Prozent Chinesisch und der Rest sind meist Inder, Thais und Indonesier. Die 20 Prozent ethnischen Chinesen erwirtschaften über 70 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes, das heute als eine der stärksten und am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Asiens gilt. Da diese 20 Prozent Chinesen aber keine Muslime sind, werden sie vom Staat benachteiligt: Kein oder kaum Zugang zu öffentlichen Ämtern, Benachteiligung bei den Steuern und generell jedem Papierkram und im öffentlichen Leben. Denn obwohl nur knapp über die Hälfte der Bevölkerung muslimisch ist, wird versucht islamische Regeln durchzusetzen. So darf die malaysische Religionspolizei selbstständig Strafen wie Stockhiebe austeilen, da das islamische Gericht neben dem "weltlichen" Gericht besteht, diesem aber keine Rechenschaft schuldig ist. Zudem ist zum Beispiel Küssen auf öffentlichen Plätzen verboten, genau wie das mitführen von Hunden (diese sind nach islamischem Gesetz "haram", also Sünde, weil unrein). Es ist wirklich befremdlich diese kleinen Nicklichkeiten zu sehen, mit denen eine religiöse Minderheit ihre Gönner, nämlich die produktiven Chinesen, die für ihren Reichtum sorgen, gängeln. In Indonesien haben wir ähnliches erlebt und nachdem wir nun in so vielen islamischen Ländern gereist sind, ist für uns doch eines klar: Der Islam scheint eine durch und durch politische Religion zu sein, die sich mit ihren vielen, vielen Regeln und Handlungsvorschriften und ihren klaren, rigiden Einteilungen in "gut" und "böse" immer in die Politik begibt und das Leben der Menschen stark beeinflusst. Ob das gut oder schlecht ist, müssen die Menschen beurteilen, die in diesen Ländern leben. Für uns wäre das Leben in einem islamisch geprägten Land aufgrund dessen schlicht undenkbar, zumal wir nicht den Eindruck von Toleranz gegenüber anderen Denkweisen oder gar Religionen erlebt haben - im Gegenteil. Gerade Elli als Frau ist nach so viel Zeit in diesen Ländern häufig verunsichert, was sie nun darf und was nicht. Das beginnt bei der Kleidung, geht über das "darf ich dem Mann jetzt die Hand schütteln?" bis hin zu der Frage, ob wir Händchen halten, oder uns gar küssen dürfen wenn andere zusehen, oder nicht.
Unsere restlichen Tage bis zum Flug nach Phuket verbringen wir mit einem zauberhaften Couchsurfing Gastgeber aus Nigeria. Er mag kein westliches Essen, hat aber einen riesigen Kühlschrank, vollgestopft mit allem, was der westliche Magen begehrt und verbietet uns quasi, selbst einzukaufen, was wir normalerweise immer machen. Bevor er mit begonnen hat mit Autoersatzteilen zu handeln, war er koch und bietet uns einige nigerianische Gerichte zum Probieren an, die uns doch etwas skeptisch machen: Eine Art Spinat mit ganzen Rinderohren und dicken Fetzen Rinderhaut, verfeinert mit fermentierten, ganzen Minifischen. Kurzum: Die Skepsis war angebracht und wir sind stolz auf uns nicht gebrochen zu haben. Die Suppe aus im Mixer geschreddertem Trockenfisch haben wir dann höflichst abgelehnt.
James wohnt in einem Condominium etwas außerhalb der Innenstadt, wie immer mit Pool und Fitness Raum und einem hauseigenen Bus, der vier mal am Tag kostenlos zwischen Zentrum und Condominium hin und her fährt. Das nutzen wir natürlich und erkunden mit James die Stadt, also vor allem Shopping Malls, in denen wir nichts kaufen, weil uns diese gigantischen Konsumtempel zwar beeindrucken, aber auch abstoßen. Wie Menschen freiwillig hunderte Euro, oder auch "nur" einhundert Euro für eine Handtasche, oder eine elektronische Spielerei ausgeben können, wird uns immer schleierhafter. Für 100 Euro kann man so herausragende Dinge erleben/tun, die nichts aufwiegen kann, das man sich in den Schrank stellen kann. Aber was soll's. Freuen tun wir uns dafür über eine andere Art der Verschwendung: Die beleuchteten Petronas Tower bei Nacht, die wir natürlich schon in so manchem Hollywood Film bewundern konnten, aber noch nie aus direkter Nähe. Ein beeindruckendes Bauwerk, in dessen Vorgarten es jeden Abend eine Musikshow mit farbig beleuchteten Wasserfontänen zu bewundern gibt - ein tolles Spektakel!
Außerdem gibt es jeden Tag zwei Stunden Sport im Fitness Raum, den wir ausgiebig und enthusiastisch nutzen. Das ist ein Luxus, den wir uns gerne auch leisten würden, wenn wir wieder in Deutschland sind! Trotzdem freuen wir uns ein paar Tage später über unseren Flug nach Phuket, Thailand. Endlich fort von den Großstädten dieser Region, hin zu ein paar schicken Stränden...
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